If we were villains / Das verborgene Spiel – Buchkritik


(keine Spoiler der Handlung)

Das Cover der englischsprachigen Version - If we were villains von M.L. Rio
Das Cover der englischsprachigen Version – If we were villains von M.L. Rio

“Actors are by nature volatile – alchemic creatures composed of incendiary elements, emotion and ego and envy. Heat them up, stir them together, and sometimes you get gold. Sometimes disaster.”

― M.L. Rio, If We Were Villains

Letzten Herbst hat meine Schwester mir begeistert ein Buch empfohlen, und als wir uns an Weihnachten gesehen haben, hat sie es mir ihre Ausgabe direkt mitgegeben. Ich weiß, dass meine Schwester eher Fan von Fantasy-Literatur und Jugendbüchern ist, weswegen ich ein ganz bisschen skeptisch war. Aber da ich dem Geschmack meiner Schwester im Generellen sehr vertraue, war ich gespannt. If we were villains hat mich angesprochen, mit dem mattschwarzen Cover und dem toten Vogel vorne drauf. Es ist wahrscheinlich trotzdem kein Buch, das ich mir im Buchladen genauer angeschaut hätte. Der Text auf dem Buchrücken hat sich auch eher nach Krimi angehört und ein paar Klischees der Jugendliteratur.

Fesselnd und düster

Jedenfalls habe ich das Buch dann mit nach Sofia genommen, wo ich gerade mein Auslandssemester mache. Und als ich dann ein paar Tage krank wurde, habe ich mir eben If We Were Villains von M.L. Rio geschnappt. Was soll ich sagen – ich habe die 400 Seiten innerhalb von zwei Tagen durchgelesen, und habe während der Zeit nicht viel anderes gemacht. Ich war lange nicht mehr so gefesselt von einem Buch (was vielleicht auch daran liegt, dass ich in letzter Zeit viel auf altem Englisch gelesen habe) und es war superschön, mal wieder in eine Welt und eine Geschichte einzutauchen. Aber ganz von vorne-

“The things about Shakespeare is, he’s so eloquent…he speaks the unspeakable. He turns grief and triumph and rapture and rage into words, into something we can understand. He renders the whole mystery of humanity comprehensible.”

― M.L. Rio, If We Were Villains

Die Geschichte ist aus der Sicht von Oliver geschrieben, der mit seinen Freunden in einem alten, ehrwürdigen Internat Theater studiert. Im ersten Teil des Buches lernt man die sieben Hauptcharaktere kennen, taucht in die Stimmung ein und der Plot wird vorbereitet für die kommenden Geschehnisse. Dabei wird tatsächlich ein ziemlicher Vibe aufgebaut, die Freunde feiern Partys, machen Späße, betrinken sich auf dem Steg am See, und zitieren in ihren Gesprächen ganz alltäglich Shakespeare, der den Hauptbestandteil ihres Studiums darstellt. Die Gegend ist wohl auch sehr idyllisch, die Hauptcharaktere wohnen in einem Gebäude, das „the castle“ genannt wird, mit einer Bibliothek ausgestattet, um deren Kaminfeuer sie sich meistens versammeln. Das Gebäude steht mitten im Wald, entfernt von der restlichen Universität, direkt an dem See, außer Sichtweite der anderen Studenten. Inmitten dieser etwas düsteren, aber auch gemütlichen und verheißenden Stimmung bauen sich dann die Konflikte zwischen den Charakteren auf. Es geht um Liebe und Freundschaft, Versuchung und Geheimnisse. Tatsächlich sind die Beziehungen aufgeladener und verwinkelter, als man am Anfang denkt, und im Laufe des Buchs werden sie subtiler und interessanter.

Unerwartet mitreißend

“You can justify anything if you do it poetically enough.”

― M.L. Rio, If We Were Villains

Relativ bald wird einer der Charaktere tot aufgefunden, und von da an wird alles komplizierter und wichtiger. Es bauen sich weitere Spannungen auf und die Stimmung des Buches steigert sich immer mehr. In den Prologen erfährt man, dass Oliver nach der ganzen Haupthandlung eine zehnjährige Haftstrafe absitzen musste. In diesem zweiten Zeitstrang erzählt er dem Detective von damals, wie alles wirklich passiert ist. Und inmitten dieser ganzen Verwebungen geht es immer um Stücke von Shakespeare, die die Schüler proben und aufführen, was wunderbar in die Handlung eingeflochten ist. Man hat das Gefühl, die Autorin spricht aus den Charakteren, wenn diese von ihrer Shakespeare-Leidenschaft reden, was das ganze aber nur noch glaubwürdiger und echter macht.

Als ich das Buch weggelegt habe, war das wie ein Knall, ich hatte ein Lächeln auf dem Gesicht und gleichzeitig gemischte und starke Gefühle in mir. Das Buch berührt und reißt auf mehreren Ebenen mit, viele verschiedene große menschliche Grundemotionen werden aufgegriffen. Man merkt, dass die Autorin sich genau damit auskennt, wahrscheinlich auch durch ihr eigenes Shakespeare-Studium. Während des Lesens hatte ich selber plötzlich den Drang, Shakespeare zu lesen und Theater zu spielen, beides wird so ergreifend dargestellt. Als ich erfahren habe, dass das der Debüt-Roman der Autorin war, war ich echt beeindruckt.

Das Nachgespräch

Danach habe ich jedenfalls meine Schwester angerufen und war vielleicht ein kleines bisschen enttäuscht, als sie meinte, das das Buch gerade auf TikTok sehr gehyped ist. Anscheinend gibt es eine „Dark Academia“-Ästhetik, die eben genau diese etwas düstere Stimmung, mit alten Büchern und Gemäuern darstellt, und das nächtliche Lernen im Kerzenschein etwas verherrlicht. Es hat mich ein bisschen an Harry Potter und Der Club der toten Dichter erinnert, worauf Dark Academia auch abzielt. Gemeinsam mit The secret history von Donna Tartt ist If we were villains anscheinend die moderne Weiterführung davon. Auf jeden Fall bin ich dann ein bisschen ins Dark-Academia-Rabbithole eingetaucht und tatsächlich kann ich jetzt nachvollziehen, warum dieser Internats-vibe so romantisiert wird. (Aber wenn ich an mein eigenes Studium denke, vergeht mir die Lust drauf auch gleich wieder.)

Wie man vielleicht schon rausgehört hat, kann ich das Buch sehr empfehlen. Die Handlung zusammen mit der Stimmung und der fast schon poetischen Beschreibung des emotionalen Innenlebens machen seinen Zauber aus. Ich glaube, an regnerischen Herbsttagen würde das Buch besonders gut wirken, aber die Geschichte zieht einen auch so schon mit.

Auf Deutsch heißt das Buch übrigens Das verborgene Spiel und das Cover sieht aus wie von einem Colleen-Hoover-Roman. Was natürlich nichts schlechtes ist, aber das englische Cover finde ich passender und ansprechender. Insgesamt würde ich (wie bei allen original englischsprachigen Büchern) die englische Version empfehlen, allein schon wegen den Shakespeare-Ausschnitten, die dann in Originalsprache sind. Ich überlege mir noch, The secret history zu lesen und werde dann auf jeden Fall hier davon berichten. Bis dahin hoffentlich viel Spaß (oder was immer ihr euch erwartet) mit dem Buch! Hier könnt ihr es zum Beispiel bei Thalia bestellen.

Leona


2 Antworten zu “If we were villains / Das verborgene Spiel – Buchkritik”

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